Das menschenunwürdigste Lager Europas
Im Skandallager Vučjak bei Bihać im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina, das sich gut versteckt im dichten Wald am Rande der Ortschaft Zavalje befindet, kommt es zu einer humanitären Katastrophe. Eine Veränderung der seit Monaten andauernden Situation ist bislang nicht eingetreten.
Das Lager Vučjak bei Bihać wurde auf einer ehemaligen Mülldeponie errichtet. Dort gibt es weder fließendes Wasser noch Strom. Die Kälte und die kaum vorhandene medizinische Versorgung sorgen für unmenschliche Zustände. Der Verein „We Help“, die Plattform „SOS Balkanroute“ haben den bisweilen größten Transport an Hilfsgütern für die Menschen vor Ort organisiert. Vier Lastwägen mit Decken, Schuhen, Schlafsäcken und Winterjacken wurden in vielen Städten wie Wien, Kärnten, Linz und Kremsmünster gesammelt und verteilt. Als Volkshilfe Flüchtlingsbetreuung waren wir seit Beginn der Hilfsaktion aktiv dabei. Auch diesmal haben wir solidarisch unterstützt.
Versorgung durch NGO’s und die Zivilgesellschaft
Sechs- bis achthundert Geflüchtete halten sich in Vučjak bei Bihać auf. Die wenigsten von den gesamt 67 Zelten (davon 10 Großzelte) haben irgendeine Art von Boden, Matte oder festen Untergrund, der großteil der dort untergebrachten Menschen schläft auf dem feuchten Lehmboden der ehemaligen Mülldeponie.
Die Plattform „SOS Balkanroute“ von Petar Pero Rosandić alias Rapper Kid Pex, der Verein „We Help“ rund um Renato Čiča und Brigitte Holzinger mit Unterstützung der Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung Oberösterreich und Steiermark haben vier LkW mit Decken, Schlafsäcken, Winterkleidung und Schuhen organisiert. Ein Dutzend HelferInnen aus Wien beziehungsweise Oberösterreich und die Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ) helfen beim Verteilen an die Leute, die teilweise mit Sandalen und offenen Schuhen beim Ausgabeort in der Schlange stehen. Einer der Helfer fragt einen Polizisten, ob es hier ein WC gäbe und bekommt die Antwort „Hier, links oder rechts, suche dir eine Stelle aus, pass aber auf die Mienen auf, seit dem Krieg ist hier alles vermint.“
Das menschenunwürdigste Lager Europas
Nach unserem Besuch hat es Schneefall und teilweise Minusgrade im Camp gegeben. Der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektic hatte am Samstag erklärt, dass das Flüchtlingslager Vučjak innerhalb von zwanzig Tagen in die ehemalige Kaserne Blažuj bei Sarajevo verlegt werden soll.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatovic, hat nach ihrem Besuch am Anfang der Woche die sofortige Schließung des Lagers Vučjak gefordert. „Ansonsten werden die Menschen hier zu sterben beginnen, und wir werden verantwortlich sein dafür“, sagt sie am Dienstag nach Angaben des TV-Sender N1.
„The Game“
Bis zu sechstausend Flüchtlinge sollen sich in Bihać aufhalten. Die Stadt ist vor zwei Jahren zur Drehscheibe für Fluchtbewegungen über die angeblich gesperrte Balkanroute geworden. „The Game“, so wird der Versuch über die Grenze nach Kroatien zu kommen bezeichnet.
Die kroatische Polizei und das Militär bewachen die Außengrenze der EU scharf und häufig mit illegalen Methoden. Lange leugnete Kroatien, dass sie Flüchtlinge illegal ins Nachbarland Bosnien-Herzegowina abschieben. Amnesty International kritisierte seit längerem auch das Schweigen Brüssels zu den sogenannten „Push-backs“. „Europäische Staaten verschließen die Augen vor den bösartigen Angriffen kroatischer Polizisten und finanzieren auch deren Aktivität“, schrieb die Menschrechtsorganisation in einem Statement. Flüchtlinge vor Ort berichten von schweren Verletzungen, die ihnen von der kroatischen Grenzpolizei zugefügt wurden. Lebensnotwendigkeiten wie Schlafsäcke, Geld, Decken und Schuhe sollen ihnen abgenommen und verbrannt worden sein.
– Ein Bericht von Hasan Mahir
- Bildbericht Lager Vučjak bei Bihać; Fotocredits: Hasan U.