#frauenerzählen – Adalbero

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Foto: Natalya

Adalbero

von Natalya

In Wels-Land gibt es eine kleine, ruhige, grüne Marktgemeinde mit einer langen Geschichte. Man kann von weitem auf dem Hügel ein großes Kloster sehen, das ich liebevoll nach seinem Gründer „Adalbero“ nenne. Dieses Stift ist das Herz, der Puls der Gemeinde, ebenso wie sein Chef – Abt Maximilian. Stift Lambach ist 1000 Jahre alt und ziemlich bekannt in Oberösterreich und darüber hinaus. Neben der Kirche und den Fresken hat das Kloster kleine, alte Höfe, einen geheimen Garten, barocke Säle und eine Bibliothek mit alten Manuskripten zu bieten.
In der Ukraine sind Kirche und Glaube auch wichtig, aber nicht so essenziell wie in Österreich, besonders in kleinen Orten. In Lambach verbindet das Kloster Menschen, gibt Raum für Kinder und für Erwachsene. Die Pfarre ist sehr aktiv und bestrebt, etwas Gutes zu tun. Sie machen ein Sprachcafé für Migrant:innen mit Kuchen und Getränken, ebenso wie einen Deutschkurs, verschiedene Feste und kurze Pilgertouren.
Als ukrainische Vertriebene waren wir am Anfang wirklich verloren. Es gab viele alte Menschen, Pensionisten, die nie zuvor in ihrem Leben im Ausland waren. Sie waren von Krieg und Flucht traumatisiert und brauchten Unterstützung. Das Kloster und die Pfarre gaben ihnen Frieden und Sicherheit, Verständnis und Hilfe. Güte und Großzügigkeit bedeuten in einem fremden Land mehr als Geld oder Wohlstand. Es ist echtes Glück, in eine offene und tolerante Gesellschaft hineinzukommen.

Ich erinnere mich an ein Paar, Nachbarn von meiner guten Freundin und Mitglieder der Pfarre, die uns am ersten Tag besuchten. Sie brachten einen Korb mit Leckereien und stellten viele Fragen über unsere „Reise“ nach Österreich. Wir sahen sie noch ein paarmal und sie waren immer freundlich, nett und hilfsbereit. Der Mann war ein beliebter Sportlehrer in der Schule, Mitglied im Schifferverein und Musiker. Er war sehr positiv und sportlich und fuhr jedes Wochenende zum Wandern in die Berge. Er kannte alle Gebirge in Oberösterreich.
Für Ostern haben wir Osterbrot gebacken, um uns bei diesem Mann und seiner Frau zu bedanken. Als Antwort lud er mich und meinen Bruder zum Wandern ein und wir sprachen über einen passenden Termin. Dazu kam es aber nicht mehr … ein paar Wochen später ist er gestorben. Kein Krieg, kein Unfall, er war nicht so alt und dann der Tod. Er war einer der ersten Lambacher, der uns willkommen geheißen hat, deswegen war sein Tod für mich wie ein Schock. Warum?

In der Ukraine sterben jeden Tag viele Menschen und Nachrichten aus der Ukraine brechen mir das Herz. Es ist immer schmerzhaft und hat kein Ende. Aber … dieser Tod, hier in Österreich, so unerwartet und plötzlich, war etwas Anderes.
Hinter dem Kloster gibt es einen Friedhof, alt und gepflegt. In der Nacht leuchten dort viele Kerzen und Lämpchen besonders hell. Wenn ich vorbeigehe, denke ich an Herrn Famler und unsere kurze gemeinsame Zeit.

Merkwürdig ist, wie einfaches und ruhiges Leben auf dem Land heilen kann. Es ist nicht bekannt, was die Zukunft bringen wird. Ich bin „Adalbero“ und Lambach dankbar. Ob dieses Zwischenspiel in meinem Leben temporär bleibt oder permanent wird, wird die Zeit zeigen.